Thorsten Klute: Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Themen der Pflege sind immer wieder auch hier bei uns im Landtag Thema. Das ist gut so; denn es gibt eine Menge landesspolitische Zuständigkeiten in der Pflege. Wir beschäftigen uns oft mit denen, um die es in der Pflege ganz zentral geht, nämlich den pflegedürftigen Menschen. Wir beschäftigen uns auch intensiv mit denen, die professionell mit unseren Pflegebedürftigen arbeiten, den professionellen Pflegekräften in unserem Land, die engagierte und starke Arbeit leisten, von denen es zu wenige gibt und von denen wir noch mehr brauchen. Aus meiner Sicht und aus unserer Sicht beschäftigen wir uns zu selten mit der dritten großen Gruppe in der Pflege, nämlich mit den pflegenden Angehörigen. Das ist tatsächlich eine große Gruppe. Es lohnt sich, sich die Zahlen einmal genau anzuschauen. IT.NRW hat vor etwa zwei Wochen für das Jahr 2021 bekannt gegeben, dass knapp 1,2 Millionen Menschen alleine in Nordrhein-Westfalen pflegebedürftig sind bzw. einen Pflegegrad haben. Im Jahr 2019, zwei Jahre zuvor, waren es noch deutlich unter 1 Million Menschen. Daran sieht man, wie dynamisch diese Gruppe wächst.
Wir können uns freuen, dass wir nach den heutigen, ganz aktuellen Zahlen von IT.NRW wieder mehr Pflegekräfte in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland haben und die Zahl der Auszubildenden ebenfalls zunimmt. Das ist klasse. Aber wir werden das Wachstum der Zahl der Pflegebedürftigen nicht neins zu eins durch das Wachstum der Zahl der Pflegekräfte auffangen können. Deshalb ist es sehr wichtig, sich sehr viel intensiver um die Gruppe der pflegenden Angehörigen zu kümmern, als das bisher der Fall war, und das tun wir.
(Beifall von der SPD)
Das wollen wir mit unserem Antrag tun. Wir wissen, dass hinter jeder pflegebedürftigen Person ein bis zwei pflegende Angehörige stecken, die eng mit dieser Person zusammenarbeiten, die ihre Familienmitglieder fürsorglich, engagiert, liebevoll betreuen und pflegen. Das ist eine große Gruppe. Es lohnt sich, diesen Menschen mehr zuzuhören, als das bisher der Fall war.
(Beifall von der SPD)
Ich habe das am vergangenen Samstag wieder einmal getan, als ich in meinem Wahlkreis an einem thematischen Infostand mit Menschen auf der Straße über unseren Antrag gesprochen habe. Da hört man Sätze wie: Seit 10 Jahren pflege ich meine Frau. Als das damals ganz plötzlich passierte, arbeiteten wir beide noch. Wir haben unser Leben lang gearbeitet. Sie schildern, welche Schwierigkeiten sie mit dem MDK, mit den Pflegekassen und allem Drumherum haben und was sie nicht leisten können. Dann sagt der Mann: Wir haben unser Leben lang gearbeitet. Jetzt sind wir arm. Dann sprechen Sie mit einer Frau, die sagt: Ich pflege seit drei Jahren mein Mann. Wir können uns glücklich schätzen, dass mein Mann damals so gut verdient hat, sonst könnten wir uns all das, was wir jetzt bezahlen müssen, gar nicht leisten. Dies alles zeigt, dass wir eine große Gruppe von Menschen haben, um die wir uns mehr kümmern könnten. Die pflegenden Angehörigen sind stille Heldinnen und Helden unserer Zeit. Sie haben unsere Zuwendung verdient.
(Beifall von der SPD)
Ich bitte darum, unseren Antrag auch als Einstieg in eine längere Diskussion hier im Landtag zu verstehen. Deshalb beantragen wir seine Überweisung in den zuständigen Fachausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Wir werden dort – das kündigen wir jetzt schon an – eine umfangreiche Anhörung von Expertinnen und Experten beantragen, sodass dieser Antrag bestimmt noch nicht das letzte Wort ist, sondern nach der Anhörung noch Ergänzungen und Veränderungen hinzukommen. Es ist wichtig und an der Zeit, dass wir uns einbringen.
(Beifall von der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, ich sehe Sie jetzt schon in Ihren Wortmeldungen nach Berlin zeigen und höre Sie so etwas sagen wie: der Lauterbach muss doch. – Ja, unser Antrag sieht auch Punkte für eine Bundesratsinitiative vor, weil wir nicht alles in Nordrhein-Westfalen regeln können. Aber Nordrhein-Westfalen hat auch eine Menge Zuständigkeiten. Nur nach Berlin zu zeigen, ist zu wenig. Das sage ich Ihnen jetzt schon. Wir haben einiges hier zu regeln.
(Beifall von der SPD und Angela Freimuth [FDP])
Es gibt Bundesländer, die es uns vormachen. Rheinland-Pfalz zum Beispiel sorgt für sehr viel mehr Betreuung und aufsuchende Arbeit, gerade bei pflegenden Angehörigen, um zu verhindern, was zur Zeit Stand der Dinge ist, nämlich dass in Deutschland Jahr für Jahr 12 Milliarden Euro liegen bleiben, die von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen für Ansprüche, die sie eigentlich haben, abgerufen werden könnten. Sie wissen aber nicht, dass sie diese Ansprüche haben, weil sie nicht wissen, welche Mittel es gibt. Es ist wichtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen dem Beispiel anderer Länder folgen, damit diese schon vorhandenen Mittel abgerufen werden können. Da wollen wir einsteigen, und so bitten wir unseren Antrag zu verstehen. Er ist ein Diskussionsangebot, um in den nächsten Jahren eine nachhaltige Verbesserung für die große Gruppe der pflegenden Angehörigen in Nordrhein-Westfalen zu erzielen. Wir laden Sie ein, mitzumachen. – Herzlichen Dank.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herzlichen Dank, Herr Kollege Klute.